unsere Geschichte

Die Pflege alter und kranker Menschen ist wichtiger Teil der christlichen Nächstenliebe.

Die Pflege und Begleitung von kranken Menschen gehört seit den Anfängen des Christentums zum Kernbereich der Kirche. Über die Jahrhunderte hinweg haben sich Christen auf immer neue Weise um Kranke bemüht. Erinnert sei hier nur an Elisabeth von Thüringen, deren 800. Geburtstag wir in diesem Jahr feiern. Die ungarische Königstochter, die schon als kleines Mädchen durch eine – damals selbstverständliche – arrangierte Ehe an den thüringischen Hof kam, hat sich anrühren lassen von der Not ihrer Zeit. Durch sie entstanden schon im Mittelalter an der Wartburg und in Marburg Hospitäler, die Kranken und Sterbenden Schutz und Pflege boten.

Mit dem Übergang in die Industriegesellschaft um die Jahrhundertwende und dem damit verbundenen Wandel in der Gesellschaft und dem Fortschritt der Medizin sah sich auch die Krankenpflege vor neue Herausforderungen gestellt. Überall in Deutschland entstanden – meist auf Initiative der Kirchengemeinden – Krankenpflegestationen, die die Familien bei der Pflege ihrer Angehörigen zu Hause unterstützen sollten. So auch in Rodenbach.

Wie alles anfing

Im Jahr 1908 rief Pfarrer Albert Römer die Evangelische Frauenhilfe ins Leben mit dem erklärten Ziel, einer Krankenpflegestation und einer „Kleinkinderschule“ zu gründen, die schon am 10. Januar 1910 ihren Betrieb aufnahmen. Zunächst war die Kleinkinderschule noch im Schulgebäude Ecke Hanauer Landstraße-Hainstraße-Gartenstraße untergebracht, dort, wo heute die Sparkasse steht. 1914 konnte dann der Kindergarten in das neu errichtete Gebäude in der Gartenstraße 2 einziehen.

Konnte schon zwei Jahre nach Gründung der Evangelischen Frauenhilfe in Rodenbach die „Kleinkinderschule“ ihre Pforten öffnen, so dauerte es doch noch weitere sieben Jahre, bis auch das zweite Ziel erreicht werden konnte. Nach langen Verhandlungen gelang es Pfarrer Römer das Diakonissenmutterhaus in Nonnenweiher bei Lahr in Baden (Schwarzwald) für die Krankenpflegestation zu gewinnen. Am 1. Oktober 1917, mitten im Ersten Weltkrieg, nahm die Diakonisse Mathilde Zuckerschwerdt ihren Dienst als Gemeindeschwester auf. Über fast fünf Jahrzehnte hinweg waren dann bis zum 30. September 1965 Diakonissen des Nonnenweiher Mutterhauses in Niederrodenbach tätig.

Zusammenarbeit auf breiter Basis

Von Anfang an hat auch die politische Gemeinde erkannt, welch wichtiger Dienst hier für die Rodenbacher Bevölkerung begonnen wurde. So begrüßte der Gemeindevorstand diese neue Einrichtung dankbar und beschloss am 17. Oktober 1917 einen laufenden Betrag von jährlich 100 Mark für die Krankenpflegestation aufzubringen. Im Jahr 1920 erweiterte er diesen Beschluss sogar dahingehend, dass künftig jeweils ein Drittel der Kosten der Krankenpflegestation und des Kindergartens übernommen werden sollten. Noch heute beteiligt sich die Gemeinde Rodenbach an der Finanzierung der Diakoniestation. Ein herzliches Dankeschön dafür.

Um die Krankenpflegestation auf sichere wirtschaftliche Beine zu stellen, wurde am 1. März 1923 der Diakonieverein gegründet. Von allen Mitgliedern wurde ein Eintrittsgeld und Monatsbeiträge erhoben. Ausdrücklich nahm der Vorstand in § 7 die Bestimmung auf, dass Nichtmitglieder die Hilfeleistung der Schwester nur gegen die vom Vorstand festgesetzten Gebühren in Anspruch nehmen konnten.

Als die Jahre der Arbeitslosigkeit kamen, mussten viele Familien um Erlass der Beiträge bitten. Der Dienst der Schwester litt darunter nicht, da die wirtschaftlich schwachen Familien von der großen Zahl derer mitgetragen wurden, die auch in den Notzeiten ihre Beitragspflicht erfüllten.

Bis 1938 versahen fünf Diakonissen Dienst in der Schwesternstation. Dann wurde Schwester Frieda Hofmann, damals 28 Jahre alt, hier eingesetzt. 1945 kam ihre Schwester Lisette Hofmann nach Rodenbach. Sie übernahm die Leitung des Kindergartens. Die Geschwister wohnten in der Wohnung über dem Kindergarten Gartenstraße und waren bis 30.September 1965 als Diakonissen in Rodenbach tätig.

Eine Ära geht zu Ende

Leider kündigte dann das Diakonissen-Mutterhaus die Zusammenarbeit und die beiden Schwestern wurden nach Heidelberg versetzt, wo sie bis zu ihrem Ruhestand noch zehn Jahre tätig waren. Nach Kündigung der Station durch das Mutterhaus und vergeblichen Bemühungen die Kündigung rückgängig zu machen ging für unseren Ort eine Ära ging zu Ende. Dies war sehr schmerzlich. Gerade die beiden Schwestern Lisette und Frieda haben in der Erziehung der Rodenbacher Kinder und der Pflege der Kranken sehr prägend gewirkt.

Nach dem Rückzug der Diakonissen wurde am 1. Oktober 1965 eine Krankenschwester eingestellt, die bis 1972 in Rodenbach tätig war. Als die Eröffnung des Altenzentrums Rodenbach bevorstand, sah sie keine Zukunft mehr für die Gemeindekrankenpflege und kündigte. Versuche, die Schwesternstation neu zu besetzen, scheiterten. Die Zukunft der Gemeindepflegestation schien beendet und schweren Herzens wurde die Schwesternstation geschlossen und die noch vorhandenen Rücklagen des Diakonievereins wurden eingefroren.

In den folgenden Jahren wurde den Rodenbachern immer deutlicher bewusst, welche Lücke das Ausscheiden der Gemeindeschwester gerissen hatte. Die Schwester fehlte an allen Enden. Zwar hatten sich in Rodenbach weitere Ärzte niedergelassen, aber die Pflege der Schwerkranken und Alten lag in den Händen der Angehörigen, die damit oft überfordert waren. Alleinstehenden und schwer pflegebedürftigen Menschen blieb oft nur der Weg in ein Alten- oder Pflegeheim.

Die Diakoniestation – der Neubeginn

Etwa fünf Jahre war Rodenbach ohne Gemeindeschwester, als Pfarrer Hans Mener ein Schreiben von Herrn Georg Gunkel, erreichte, in dem er auf diese Lücke in der Versorgung unserer älteren Mitbürger hinwies und darum bat, die Schwesternstation wieder neu einzurichten. Pfarrer Mener griff diesen Wunsch gerne auf und 1977 konnte Frau Maria Simon, gelernte Altenpflegerin, als Gemeindeschwester eingestellt werden. Sie leistete Pionierarbeit. Bald stellte sich heraus, dass sie allein die anfallende Pflege nicht bewältigen konnte, eine Halbtagskraft wurde eingestellt, weiter Schwestern und Pfleger kamen hinzu. Mit Hannelore Seegard ist noch heute eine der Schwestern aktiv, die mitgeholfen haben, nach dem Weggang der Diakonissen der Station ein neues diakonisches Profil zu geben.

Im Mittelpunkt steht der Mensch

Heute wie damals steht im Mittelpunkt der Mensch, die Aufgaben haben sich jedoch in den letzten Jahren ausgeweitet. Der Wunsch vieler Menschen ist es, ihren Lebensabend zu Hause und so selbständig wie möglich zu verbringen. Die Einführung der Pflegeversicherung vor zwölf Jahren hat vielen pflegebedürftigen Menschen auch wieder eine neue Perspektive für ein Leben in Würde auch in der häuslichen Umgebung gegeben. Sie hat auch dazu geführt, dass die Diakoniestation ihr Angebot erweitern konnte. Neben der Pflege von alten, kranken oder behinderten Menschen gehören heute auch Hilfen im Haushalt, die Begleitung zum Arzt oder zum Einkaufen zu den Aufgaben der Station. Beratung in Fragen der Pflegeversicherung oder die Vermittlung von Essen auf Rädern sind ebenso Bestandteil der Hilfen wie Pflege- und Gesundheitskurse. Insbesondere der regelmäßig stattfindende Kurs in Wirbelsäulengymnastik der Physiotherapeutin Martina Kolb erfreut sich hier großer Beliebtheit.

Zeit für Rat und Hilfe

Durch das Engagement der Evangelischen Kirchengemeinde, der Gemeinde Rodenbach und nicht zuletzt auch durch die Hilfe der Menschen, die auch heute noch den „Diakonieverein“ fördern, haben unsere Gemeindeschwestern Zeit auch für Rat und Hilfe, die über das rein „Notwendige“ hinausgehen – von einem Anruf bei der Krankenkasse über seelsorgerliche Hilfen in Krisenzeiten bis hin zur Begleitung in den letzten Stunden.

Zurück zu den Wurzeln

Zum 31. Juli 2007 musste die Gemeinde Rodenbach den Kindergarten in der Gartenstraße schließen, ein Schritt, der allen Beteiligten schwer gefallen ist, aber der Geburtenrückgang geht auch an Rodenbach nicht vorbei.

Aber zugleich war dies eine Chance für uns, die Tradition dieses Hauses unter den veränderten Bedingungen weiter zu entwickeln. Der Kirchenvorstand beschloss, die Gelegenheit zu ergreifen und die Diakoniestation wieder dort anzusiedeln, von wo sie einst ausging – zurück in den Kindergarten und die Schwesternstation in der Gartenstraße.

Aber nicht nur die Diakoniestation – die in den Gemeinderäumen im Bürgertreff Oberrodenbach ein ansprechendes Zuhause gefunden hatte – zog in die Gartenstraße ein. Auch unser Gemeindebüro zog von der Kastanienstraße in die Gartenstraße um. Für uns war dies ein echter Fortschritt, schon allein deshalb, weil nun die vielen Fahrten und Telefonate zwischen Gemeindebüro und Diakoniestation entfallen sind.

Die Kinder sind zurück!

In das „Mutterhaus der Rodenbacher Diakonie“ sind 2008 aber auch die Kinder zurück gekommen. Es entstand kein neuer Kindergarten, aber wir freuen uns, dass der Miniclub zu uns gezogen ist. So schließt sich sozusagen auch der Kreis. Wir sind dorthin zurück gekommen, wo wir angefangen haben … in alter Tradition und mit neuen Ideen.

Heinrich Schwarz / Luise Katzmarzik